Ich betrete einen Raum. Ich beobachte. Still und hoffentlich unbemerkt. Aber werde ich nicht auch genauso beobachtet? Ich scanne meine Umgebung, nehme Details war, mustere die Menschen im Raum. Nicht argwöhnisch oder negativ. Aber vielleicht kommt es so rüber? Was mögen all diese Menschen wohl über mich denken? Mögen sie mich, haben sie etwas an mir auszusetzen oder können sie mich vielleicht gar nicht leiden? Reichen meine Leistungen aus um zu bestehen? All diese Fragen sind da. Irgendwo. Versteckt. Manchmal leise, manchmal laut. Hallo, Selbstzweifel, schön dich wiederzusehen.
Ein Vorstellungsgespräch, ein Treffen, ein Event, eine Einladung. Jede Situation, in der wir, in der ich auf andere treffe, bietet Platz für Konfrontation. Wir treffen auf einander. Vielleicht sind wir uns schön bekannt, vielleicht aber auch fremd. Ich bin nicht gut im Small-Talk. Es könnte passieren, dass ich im Supermarkt oder auf der Straße plötzlich sehr vertieft in mein Smartphone tippe oder meine Tasche nach meinem Schlüssel durchforste als wäre es die von Hermine Granger und gerade wäre in meiner Tasche ein Bücherregal umgekippt, nur um der Konfrontation zu entgehen. Was soll ich sagen, wie soll ich mich verhalten, möchte der andere ein Gespräch anfangen, will ich das. Das war nie meine Stärke.
HALLO SELBSTZWEIFEL
Ich gebe Tag für Tag mein Bestes, ich versuche es. Und doch schleicht sich da immer dieser Zweifel ein, der mich manchmal nachts wach hält, der mein Gedanken-Karusell weiterdreht. Hallo Selbstzweifel.
Wann sind wir so gut, dass wir gut genug für andere sind? Oder sollte die Frage lieber lauten, wann sind wir wohl auch nur für eine einzige Sekunde gut genug für uns selbst. Machen wir Dinge, Hobbys, Jobs für andere, die Gesellschaft, den Staat oder doch auch für uns selbst. Finden wir Erfüllung in dem, was wir tun oder ist es doch nur ein äußerer Schein, den wir um jeden Preis aufrecht erhalten.
Im digitalen Zeitalter wird unsere Beziehung zu unserem Selbstzweifel groß und stark, ein enger Bund vereint uns. Wir posten Bilder auf Plattformen, weil wir wollen, dass die Menschen ihre Anerkennung durch einen Doppelklick ausdrücken und wissen doch nicht wie wir mit einem ernst gemeinten Kompliment umgehen sollen, ich und mein Selbstzweifel. Bekommen wir nicht so viel Anerkennung und Aufmerksamkeit wie gewünscht, erwartet und gewollt sind wir enttäuscht. Sicherlich sind wir nicht gut genug.
Andere werden uns, werden mich für verrückt erklären, sehen die Zweifel nicht. Sie sind für sie völlig unverständlich und die Gründe dafür in ihren Augen nicht existent.
GIRLBOSS? AUCH MIT ZWEIFELN
Ich verstricke mich gern in Wenns und Abers. Sehe nur das Negative, statt die schönen Seiten des Lebens und jeder Situation zu erkennen. Aber soll ich euch noch etwas verraten? Ich lerne, jeden Tag ein bisschen mehr, mich dem zu widersetzen. Mal klappt es besser, mal weniger gut. Aber die Oberhand bekommt mein Selbstzweifel in unserer Beziehung nicht, denn schließlich bin ich hier der Boss. Ein Girlboss? Ein neumodisches Wort, wie meine Oma es wohl bezeichnen würde, das mir nur wieder zeigt, dass ich nicht allein damit auf der Welt bin. Schließlich hätten wir sonst kein Wort finden müssen für Frauen, die ihren eigenen Weg gehen und dabei selbstsicher auftreten, die ihre Selbstzweifel im Zaum halten. Ich bin mir sicher, dass auch sie eine enge Beziehung dazu führen.